Unser Mandant hat sich gegen die Kündigung der Beklagten vom 4.12.2008 gewehrt und jetzt vor dem Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Aschaffenburg – in 1. Instanz Recht bekommen:
Die Kündigung ist bereits wegen Fehlerhaftigkeit der Betriebsratsanhörung rechtsunwirksam.
1. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist rechts unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).
Nach zutreffender Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes ist eine Kündigung über den ausdrücklichen Wortlaut des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG hinaus nicht nur bei gänzlichem Fehlen einer Betriebsratsanhörung, sondern auch dann unwirksam, wenn die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß erfolgte.
Die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung setzt insbesondere voraus, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat über alle wesentlichen Kündigungsgründe unterrichtet und dem Betriebsrat die erforderliche Zeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt hat (BAG vom 29.01.1997, NZA 1997, 813; APS/Koch, GKz. Kündigungsrecht, 3. Aufl., § 102 BetrVG, Rn. 153).
Vor Ablauf dieser Äußerungsfrist wird das Anhörungsverfahren nur dann beendet, wenn der Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber eine abschließende Erklärung abgegeben hat, aus der sich ergibt, dass er eine weitere Erörterung des Falles nicht wünsche und keine weitere Erklärung mehr abgeben wolle (BAG vom 12.03.1987, EzA § 102 BetrVG 1972, Nr. 27; KR/Etzel, GK z. Kündigungsrecht, 9. Aufl., § 102 BetrVG Rn. 103).
Von einer abschließenden Stellungnahme kann nach zutreffender Auffassung des BAG noch keine Rede sein, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber Bedenken des Betriebsrats mündlich mitteilt, aber eine schriftliche Wiedergabe dieser Bedenken in Aussicht stellt (BAG vom 28.07.1982 – 7 AZR 1181/79 – unter l. 2. a) der Urteilsgründe). Selbst dann, wenn die angekündigte schriftliche Mitteilung lediglich eine Bestätigung oder Wiedergabe der (fern-) mündlich dem Arbeitgeber im Voraus mitgeteilten Bedenken enthalten hat, ist eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats durch die bloße mündliche Mitteilung nicht gegeben (BAG vom 28.07.1982, unter l. 2. b) der Urteilsgründe). Die Anhörung des Betriebsrats endet nicht schon mit der Beschlussfassung des Betriebsrats, sondern sie wird nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut im Grundsatz erst mit der schriftlichen Mitteilung der Bedenken des Betriebsrats abgeschlossen; nur die formgerechte Mitteilung der Bedenken unter Angabe der Gründe ist für den Arbeitgeber beachtlich (so auch KR/Etzel, aaO, § 102 BetrVG, Rn. 103 a.).
Entgegen der offensichtlichen Auffassung der Beklagten kann nicht danach unterschieden werden, ob eine angekündigte schriftliche Mitteilung der Bedenken gegen die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers nur eine Bestätigung der bereits vorab mündlich mitgeteilten Bedenken oder eine weitergehende Vertiefung dieser Bedenken enthält. Würde mit der Auffassung der Beklagten die Betriebsanhörung im Falle der späteren bloßen Bestätigung mündlichen Bedenken bereits durch die mündliche Äußerung dieser Bedenken abgeschlossen sein, wäre der Zweck der gesetzlichen Schriftformzwanges nach § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht gewahrt, wonach im Interesse der Rechtssicherheit gewährleistet werden soll, den Abschluss der Anhörung des Betriebsrats eindeutig und objektiv feststellen zu können. Dies wäre nicht möglich, wenn der Zeitpunkt der Beendigung des Anhörungsverfahrens von der jeweiligen Ausdrucksweise und Zufälligkeiten der Wortwahl bei der mündlichen (Vorab) Mitteilung abhinge (BAG vom 28.07.1982, unter l. 2. b) a.E. der Urteilsgründe).
Zwar ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch durch die bloße mündliche Abgabe der Stellungnahme des Betriebsrats ein Anhörungsverfahren vor Ablauf der einwöchigen Anhörungsfrist abgeschlossen werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass der Betriebsrat bei der mündlichen Geltendmachung der Bedenken oder des Widerspruches in genügend bestimmter Weise zum Ausdruck bringt, dass er eine weitere Stellungnahme nicht mehr abgeben wird und das Anhörungsverfahren als abgeschlossen betrachtet (so zutreffend KR/Etzel, aaO, § 102 BetrVG, Rn. 103 b); BAG vom 28.07.1982, unter l. 2. c) der Urteilsgründe).
2. Vorliegend hat die Beklagte lediglich geltend gemacht, dass die (am vorletzten Tage der Anhörung, am 09,12.2009) durch E-Mail abgegebene Stellungnahme des Betriebsrats lediglich die vom Betriebsratsvorsitzenden am 03.12.2008 nach der Betriebsratssitzung dem Personalleiter bereits mündlich mitgeteilte Stellungnahme des Betriebsrats enthalten hat. Dies reicht ohne Hinzukommen weiterer Umstände -wie aufgezeigt- nicht aus, um von einer abschließenden Stellungnahme des Betriebsrats bereits durch die behauptete mündliche Stellungnahme vom 04.12.2008 ausgehen zu können. Die Beklagte hat daher die streitgegenständliche Kündigung vom 04.12.2008, zugegangen am 06.12.2008, noch vor Ablauf des bis zum 10.12.2008 laufenden Anhörungsverfahrens ausgesprochen.
Zur Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung gehört jedoch, dass der Arbeitgeber den Abschluss des Anhörungsverfahrens abwartet, bevor er eine Kündigung ausspricht; eine vor Abschluss des Anhörungsverfahrens ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG rechtsunwirksam und unheilbar nichtig ( so bereits BAG vom 01.04.1976, EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 32; KR-Etzel, aaO § 102 BetrVG, Rn. 118).
Die streitgegenständliche Kündigung vom 04.12.2008 ist daher bereits wegen Nicht-Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.
Auf die weiteren zwischen den Parteien streitigen Fragen, insbesondere nach dem Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes, einer fehlerfreien Sozialauswahl und einer ordnungsgemäßen Konsultation des Betriebsrats im Rahmen der Massenentiassung kommt es nicht mehr an.
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