Annahme eines minder schweren Falles auch bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 2 BtMG, Landgericht Aschaffenburg, Urteil vom 9.12.2004, Az.: 2 Ns 4 Ls 112 Js 5399/04

1.Jan 2015 | Recht

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Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des AG – Schöffengericht – Aschaffenburg vom 28.9.2004 wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von l Jahr 10 Monaten verurteilt wird, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Die Staatskasse hat die Kosten des Berufungsverfahrens und die darin entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:

Das Amtsgericht – Schöffengericht – Aschaffenburg erkannte mit Urteil vom 28.9.2004 gegen den Angeklagten wie folgt:

Der Angeklagte ist schuldig der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 3 Monaten verurteilt.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit am 5.10.2004 eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers ein “Rechtsmittel” ein, das mit Anwaltsschriftsatz vom 22.10.2004 als Berufung bezeichnet wurde. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29.10.2004 beschränkte der Angeklagte seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch. Die Berufung des Angeklagten ist gemäß §§ 312, 314 StPO zulässig. Das Rechtsmittel, mit dem der Angeklagte die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe anstrebt, hat auch in der Sache Erfolg.

Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch sind der Schuldspruch des angefochtenen Urteils und die diesen tragenden tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts in Rechtskraft erwachsen. Der Angeklagte ist deshalb rechtskräftig verurteilt wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei diesem Schuldspruch nach den Ausführungen des AG – Schöffengericht – Aschaffenburg unter Ziff. II der Gründe seines Urteils vom 28.9.2004 folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der Angeklagte ist nicht im Besitz einer Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln, was ihm klar war. Ungeachtet dessen fuhr er am Freitag, 23.04.2004, von seinem Wohnort in Italien mit seinem Pkw los, um für sich und seine Freunde in den Niederlanden eine größere Menge von Cannabisprodukten zu kaufen und sie anschließend zurück nach Italien zu bringen. Nachdem der Angeklagte am 24.04.2004 nachmittags in Groningen/Holland angekommen war, erwarb er dort von einer nicht ermittelten Person für 10.000,- EUR insgesamt 3,846 Gramm eines Cannabisprodukts vom Marihuana-Typ mit einem beim Rauchen verfügbaren Gehalt an THC von durchschnittlich 11 Prozent, entsprechend einer Menge von 423 Gramm THC. Der Angeklagte versteckte das Betäubungsmittel in den beiden hinteren, seitlichen Einbauöffnungen für die Lautsprecher in seinem Pkw und trat so am Montag, 26.04.2004, in den Morgenstunden die Rückfahrt in Richtung Italien an. Nach einer Fahrt über die niederländisch/deutsche Grenze wurde der Angeklagte am 26.04.2004, gegen 15.00 Uhr, auf der BAB A3, Fahrtrichtung Nürnberg, bei km 227,0, Gemarkung Waldaschaff, einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, wobei das mitgeführte Betäubungsmittel sichergestellt werden konnte.

Im Übrigen erbrachte die Berufungshauptverhandlung folgende Peststellungen:
Der weder in Deutschland noch in Italien vorbestrafte Angeklagte wurde im vorliegenden Verfahren am 26.4.2004 vorläufig festgenommen.

Bei der Bemessung der Rechtsfolgen des strafbaren Verhaltens des Angeklagten ist die Kammer im Gegensatz zum Erstgericht vom Vorliegen eines minder schweren Falles der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. l Ziff. 4, Abs. 2 BtMG ausgegangen.

Gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht zwar der Umstand, dass das vom Angeklagten eingeführte Cannabis den von der Rechtsprechung festgeschriebenen Grenzwert von 7,5 g THC zur “nicht geringen Menge” um das 56-fache überschritt und er bei der Einfuhr einen Pkw unter Drogeneinfluss steuerte. Gleichwohl weicht im vorliegenden Fall das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in so erheblichem Maß ab, dass die Anwendung des Ausnahmenstrafrahmens des § 30 Abs. 2 BtMG geboten erscheint. Der geständige und bereits seit 27.4.2004 in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte hat unwiderlegbar angegeben, das Marihuana sei zum Eigenverbrauch in Italien bestimmt gewesen, was schon für sich gesehen geeignet ist, die Bewertung als minder schweren Fall der Einfuhr zu rechtfertigen (vgl. BGH in StV: 2000, 621). Da es sich bei dem sichergestellten Rauschgift auch nicht um eine “harte” Droge handelt, ist die Kammer der Auffassung, dass die Annahme eines minder schweren Falles der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Aus. 2 BtMG gerechtfertigt ist. Ausgehend von dem Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vorsehenden Strafrahmen des § 30 Abs. 2 BtMG erachtet das Gericht unter Abwägung aller jeweils für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände die Verhängung einer Freiheitsstrafe von l Jahr 10 Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend, um nachhaltig auf den Angeklagten einzuwirken. Die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Voraussetzungen des S 56 Abs. l bis 3 StGB erfüllt sind.

Dieses Urteil wurde von den Rechtsanwälten Markus Holzer und Nadja Goldmann erstritten. Sie suchen Rechtsanwälte für Familienrecht und Arbeitsrecht in Aschaffenburg? Kontaktieren Sie uns.

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