10-Jahresfrist des § 2325 Abs. 3 HS 1 BGB bei Hausübertragung mit Wohnungsrecht – OLG Bamberg, Az.: 1 U 18/10

1.Jan. 2015 | Recht

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Unser Mandant, Alleinerbe nach seinem Vater, wurde von seinem Halbbruder auf Auskunft über den Wert einer vorher empfangenen Immobilie zu bestimmten Stichtagen in Anspruch genommen. Der Halbbruder wurde nämlich vom gemeinsamen Vater enterbt, weshalb er vermeintliche Pflichtteilsansprüche sowie Pflichtteilsergänzungsansprüche erhob. Nach Prüfung der Angelegenheit sind wir zu dem Ergebnis gekommen, das Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche im Hinblick auf die Immobilie nicht bestanden, weshalb die Auskunft verweigert wurde. Der Halbbruder gab sich damit nicht zufrieden und erhob Auskunftsklage zum Landgericht Aschaffenburg. Diese Auskunftsklage gewann er zwar zunächst mit Urteil des LG Aschaffenburg vom 9.11.2009, Az.: 3 O 331/09, doch wir rieten unserem Mandanten, das Berufungsgericht, das OLG Bamberg, mit dieser Sache unter folgender – auszugsweiser – Begründung zu beschäftigen, was Erfolg hatte:

Das Landgericht Aschaffenburg hat zu Unrecht dem Klageantrag vollständig stattgegeben. Das Urteil wird daher in seinem angefochtenen Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt. Im einzelnen ist folgendes zu rügen:

Das Landgericht Aschaffenburg geht in seinen Urteilsgründen zu Unrecht davon aus, dass die 10-Jahresfrist des § 2325 Abs. 3 HS 1 BGB noch nicht abgelaufen wäre. Es beruft sich dabei auf die Urteile des BGH vom 27.4.1994, Az.: IV ZR 132/93, NJW 1994, 1791, und des OLG München vom 25.6.2008, Az.: 20 U 2205/08, FamRZ 2008, 2311.

Das Landgericht übersieht jedoch, dass sich der Erblasser im vorliegenden Fall nur ein eingeschränktes Wohnungsrecht an dem Hausgrundstück hatte einräumen lassen, nämlich lediglich an allen Räume im ersten Obergeschoss. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss und im Dachgeschoss standen somit dem Erblasser und seiner Frau nicht mehr zur Verfügung. Dabei handelt es sich immerhin um ca. 180 qm. Das Mitbenutzungsrecht erstreckt sich gerade nicht auf die Wohnungen im Erd- und Dachgeschoss. Dies ergibt sich eindeutig aus III Ziff. 2 der Übergabe und Erbteilsabtretung vom 26.8.1996.

Somit hat sich der Erblasser bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses des überwiegenden Teils seines Hausgrundstücks an den Beklagten begeben. Lediglich ein Stockwerk von dreien (!) durfte vom Erblasser nach dem notariellen Vertrag noch genutzt werden. Hinsichtlich des restlichen wesentlichen Hausteils war der Erblasser von der Nutzung ausgeschlossen. Nach dem Urteil des OLG Bremen (NJW 2005, 1726), dem ein ähnlich gelagerter Fall wie der vorliegende zugrunde lag, ist eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB zu bejahen, wenn sich die Rechtsstellung des Erblassers durch die Grundbucheintragung wesentlich verschlechtert hat. Dies bejaht das OLG Bremen, wenn der Erblasser sich lediglich an Teilen des Hauses eine Nutzung vorbehält, denn vor der Eigentumsübertragung habe der Erblasser den beschenken Sohn von den Nutzungen des Hauses und des Grundstücks faktisch ausschließen können. Nach der Eigentumsübertragung habe dies nur noch für die vom Wohnrecht umfassten Räume gegolten. Damit habe der Erblasser nicht nur sein Eigentum aufgegeben, sondern auch darauf verzichtet, die Immobilie im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.

Damit liegt auch im vorliegenden Rechtsstreit bereits mit der Umschreibung des Hausanwesens im Grundbuch auf den Beklagten eine Vermögensausgliederung vor, da der Erblasser den „Genuss“ am Schenkungsobjekt im Wesentlichen aufgegeben hat.

Die vom Landgericht zitierten Urteile hingegen beziehen sich auf einen uneingeschränkten Nießbrauch sowie ein Rücktrittsrecht mit Anspruch auf Rückauflassung, gesichert durch eine Vormerkung (BGH a. a. O.) bzw. ein Wohnrecht an dem gesamten Hausanwesen nebst umfassenden Rückerwerbsrechten, gesichert durch eine Vormerkung (OLG München a. a. O.).

Im hier zu entscheidenden Fall ist weder ein Rücktrittsrecht, noch ein Anspruch auf eine Rückauflassung vorbehalten worden. Auch ist der status quo durch die Übertragung erheblich geändert worden, da nur noch die Räume im 1. OG vom Erblasser und seiner Ehefrau wie bisher genutzt werden konnten. Insoweit liegen hier die Voraussetzungen des § 2325 Abs. 3 HS 1 BGB entgegen der Ansicht des LG Aschaffenburg vor. Darüber hinaus haben die vom Beklagten durchgeführten erheblichen Umbaumaßnahmen im und am Hausanwesen zu einer erheblich Änderung des für den Erblasser bisher Gewohnten geführt.

Das Urteil des OLG München betrifft ebenfalls eine anders gelagerte Fallgestaltung. Dort hatte sich die Erblasserin auf Lebensdauer ein Wohnungsrecht am gesamten Haus, mit Ausnahme der Souterrainwohnung, einräumen lassen. Hierbei handelt sich um eine Wohnung im Kellergeschoss, unterhalb der Erdoberfläche. In diesem Fall hat sich die Erblasserin tatsächlich nur eines untergeordneten Teils ihres Hausanwesens begeben. Im übrigen liegt auch nach der Entscheidung des OLG München (ZEV 08, 480) bei Vorbehalt eines Wohnrechts an einer von mehreren Wohnungen im verschenkten Haus eine wesentliche Verschlechterung vor, wenn der Erblasser nach den getroffenen Vereinbarungen nicht mehr „Herr im Haus“ ist (Palandt-Endenhofer, § 2325 Rn. 27).

Vielmehr ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Bremen (Urteil vom 25.02.2005, Az.: 4 U 61/04), des OLG Oldenburg (Beschluss vom 14.11.2005, Az.: 5 W 223/05), des OLG Celle (Beschluss vom 27.05.2003, Az.: 6 U 236/02) und des OLG Karlsruhe (Urteil vom 15.01.2008, Az.: 12 U 124/07) zu den Fällen, in denen nur an einer von mehreren Wohnungen ein Wohnrecht vorbehalten wurde, der Anlauf der 10-Jahres-Frist mit der Schenkung anzunehmen.

Die Entscheidung des BGH vom 27.4.1994 ist nach ihrem Wortlaut nicht so zu verstehen, dass eine wirtschaftliche Totalausgliederung aus dem Vermögen des Übergebers zu fordern wäre. Auch ist beim Wohnungsrecht zu berücksichtigen, dass wegen § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB nur eine persönliche Nutzung der Räume in Frage kommt. Eine Vermietung ist daher nicht mehr möglich, weshalb sich der Nutzungswert für den Übergeber schon aus diesem Grunde ändert. Diese Fälle sind also vom vorbehaltenen Nießbrauch, und nur zu diesem hat der BGH in seiner Entscheidung a. a. O. nur Stellung bezogen, strikt zu trennen. Diesen Aspekt hat das Landgericht in seiner Entscheidung völlig unberücksichtigt gelassen, obwohl er vom OLG Bremen a. a. O. und OLG Oldenburg a. a. O. als ausschlaggebend angesehen wurde.

Soweit das OLG Düsseldorf in seinem Urteil vom 18.12.1998, Az.: 7 U 78/98, FamRZ 1999, 1546, zu einem anderen Schluss gekommen ist, liegt dies nur daran, weil es entscheidend auf das dort vereinbarte Rückforderungsrecht abgestellt hat, was in diesem Rechtsstreit jedoch nicht vorliegt.

Zuletzt ist zu rügen, dass das Landgericht als „wesentlich“ die Räume im 1. OG sowie das Mitbenutzungsrecht aller zum gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Anlagen und Einrichtungen ansieht und die Wohnung im EG als auch das DG völlig außen vor lässt. Lediglich im Hinblick auf das 1. OG lag ein ausschließliches Nutzungsrecht vor, bei den Anlagen und Einrichtungen nur ein Mitbenutzungsrecht. Wenn das LG also erkennbar nur auf das Nutzungsrecht abstellt, greift es zu kurz, wie oben dargelegt. Dass der Beklagte z. B. die anderen Räume auch gegen den Willen des Übergebers vermieten konnte, findet in den Erwägungen des Tatrichters ebenfalls keinen Einfluss. Insoweit sind die Ausführungen des Landgerichts fehl am Platz, wenn es von „einer solch weitgehenden Regelung“ spricht. Gerade das Gegenteil ist der Fall, wie bereits geschildert.

Nachdem diese Frage zum Wohnungsrecht auf einzelne Teile höchstrichterlich noch nicht geklärt ist (vgl. MüKo-Lange, 5. Aufl., § 2325 BGB, Rn. 62), wird angeregt, die Revision gegen das Urteil des OLG Bamberg zuzulassen, damit der BGH in diesem Punkt Rechtssicherheit schaffen kann, §§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Diese Gründe haben das OLG Bamberg überzeugt. In einem mündlichen Hinweis haben sie den Parteivertretern mitgeteilt, dass sie der Ansicht der Berufung “zuneigen”. Auf Grund dieser Mitteilung des OLG Bamberg haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, weil unstreitig weitere Pflichtteilsansprüche gegeben waren. Dem Mandanten konnten durch diese Hartnäckigkeit mindestens 30.000,00 EUR erspart werden.

Dieser Prozessausgang wurde von den Rechtsanwälten Markus Holzer und Nadja Goldmann erstritten.

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